Müllaufkommen digital erfassen und auswerten: Der intelligente Abfalleimer

Das Abfallmanagement ist ein wichtiger Teil der Gebäudereinigung. Mit dem Einsatz intelligenter beziehungsweise digitaler Sammelsysteme lassen sich wichtige Voraussetzungen für die Realisierung eines optimierten Cleaning on Demand und damit signifikante Mehrwerte für Dienstleister und deren Kunden schaffen.

Der Wettbewerb rund um Reinigungsdienstleistungen ist hart umkämpft. Umso wichtiger ist es, mit neuen Ideen und einem Leistungsspektrum zu punkten, das über die reine Reinigungsdienstleistung hinaus geht. Insbesondere die Themen Nachhaltigkeit, ESG und weitere regulatorische Vorgaben eröffnen Dienstleistern neue Möglichkeiten, Kunden mit einem durchdachten beziehungsweise ganzheitlichen Konzept zu gewinnen und langfristig zu binden.

Als ein Feld mit hohem Einsparpotenzial weisen die Experten von Mazars das digitale und datenge­stützte Abfallmanagement aus und verweisen in diesem Kontext explizit auf die Wichtigkeit von Reinigungsdienstleistern. Bei Mazars handelt es sich um ein international tätiges Beratungsunternehmen für Wirtschaftsprüfung, Financial Advisory und Consulting, das sich auf die Konzeptionierung und Umsetzung ESG-konformer Strategien spezialisiert hat. Die Rückführung wertvoller Rohstoffe in die Kreislaufwirtschaft stellt Mazars zufolge nicht nur ein ausgewiesenes Ziel der SDG (Sustainable Development Goals) der EU dar, sondern biete vor dem Hintergrund der zunehmenden Rohstoffknappheiten auch Perspektiven der Refinanzierung durch den Verkauf getrennter Wertstoffe.

Müllaufkommen digital erfassen und auswerten: Der intelligente Abfalleimer

Ein Baustein einer ganzheit­lichen Nachhaltigkeitsstrategie besteht darin, die bislang wenig beachtete Entsorgung von Abfällen in den Objekten transparent darzustellen. - © Hailo Digital Hub

Ein Beispiel dafür, wie ein digitales Abfallmanagement in der Praxis umgesetzt werden kann und dabei auch die Art der Gebäudereinigung beeinflusst, ist UBM Development. Das österreichische Unternehmen mit Hauptsitz in Wien entwickelt Immobilien für Europas Metropolen und richtet bereits seit vielen Jahren die gesamte Geschäftsentwicklung auf umweltbewusstes, ressourcenschonendes Handeln aus.

Gemeinsam mit seinem Reinigungsdienstleister hat UBM Development im Berliner Büro der Niederlassung Deutschland eine neue Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, die auch die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter involviert. Ein wichtiger Baustein dieser Strategie besteht darin, die bislang wenig beachtete Entsorgung von Abfällen im Unternehmen transparent darzustellen. Geschäftsführer Andreas Thamm hierzu: "Bislang hatten wir kaum einen Überblick über die Mengen an Abfällen, die in unserem Büro entstanden. Um zu verstehen, wie wir die anfallenden Müllmengen und unser eigenes Entsorgungsverhalten verändern können, brauchen wir aber valide Angaben".

Über Vorhersagen die optimale ­Entleerung der Behälter steuern

Um genau diese validen Aussagen treffen zu können, installierte UBM Development schließlich das neuartige System Smart Waste Solutions von Hailo Digital Hub. "Über diese Lösung können wir künftig nicht nur wichtige und sehr detaillierte Informationen zu unserem Abfallaufkommen erhalten, sondern auch unser Reinigungsdienstleister kann über die Vorhersagen zu den idealen Entleerungszeitpunkten die Reinigungsprozesse optimieren", führt Andreas Thamm weiter aus.

Konkret wurden die herkömmlichen Abfalleimer an den einzelnen Schreibtischen der Belegschaft entfernt und durch zentrale, sensorgestützte Sammelstationen ersetzt. Ebenso wurden die Teeküchen mit intelligenten Recyclingstationen ausgerüstet. Je nach Ausstattung enthalten diese Stationen zwei oder vier Müllbehälter, in die Abfälle nach Sorten getrennt eingeworfen werden. Und auch in den Sanitärräumen erfassen smarte Einzelabfalleimer das jeweilige Müllaufkommen.

Da die intelligenten Abfallbehälter kabellos kommunizieren, sind sie mobil und sehr flexibel einsetzbar. Dadurch können die Sammler und insbesondere die rollbaren Stationen nach Bedarf, beispielsweise bei Veranstaltungen oder größeren Meetings, hinzugezogen werden. Das senkt den Reinigungsbedarf und reduziert den zeitlichen Aufwand, um die Räumlichkeit wieder für die weitere Nutzung freizugeben. Darüber hinaus unterstützt dies die korrekte Abfalltrennung.

Reinigungsbedarf wird exakter ­abschätzbar

Statt wie bislang alle Abfälle unsortiert im Papierkorb am Platz zu entsorgen, werden die Abfälle nun zu einer zentralen Sammelstation gebracht und dort in die entsprechenden Behälter eingeworfen. "Durch diese neue Art des Müllwegwerfens haben wir positive Effekte in der Belegschaft festgestellt. Jede einzelne Person nimmt die Entsorgung ihrer Abfälle bewusster wahr und durch die zusätzliche Bewegung entsteht mehr Kommunikation", sagt Andreas Thamm.

Der wahre Mehrwert einer intelligenten Abfallmanagementlösung liegt jedoch in den Daten und deren Auswertung. Sowohl die Gebäudenutzer als auch die Reinigungsdienstleister erhalten dadurch gleichermaßen wertvolle Einsichten, auf deren Grundlage sie ihre jeweiligen Prozesse effektiv gestalten und optimieren können. Mit anderen Worten: Die generierten Daten schaffen nicht nur Transparenz im Abfallaufkommen, sondern lassen insbesondere auch Aussagen zur effektiven Auslastung von Büro- oder Gebäudebereichen zu. Reinigungsdienstleister können so den Reinigungsbedarf exakter abschätzen, die Routen des Personals im Gebäude präziser planen und die personellen Ressourcen effizienter einsetzen.

Um exakte Abfallkennzahlen zu ermitteln, verfügt jeder Abfallbehälter über einen Time-of-Flight-Sensor (ToF). Dieser misst präzise das Volumen des Abfalls im darunterliegenden Eimer. Neben dem Füllstand werden auch dessen Veränderung sowie der Zeitpunkt der Veränderung erfasst und mittels drahtloser Übertragungstechnologie an die Cloud-Analytik übermittelt.

Drahtlose Cloud-Anbindung mittels ­LoRa-Technologie

Die Sensoren senden die erfassten Daten via LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) an ein Gateway, das die zentrale Verbindung zum Internet und somit die Cloud-Anbindung darstellt. Diese auf Sensorikdaten spezialisierte Industrie-Netzwerktechnologie bietet große Vorteile: Sie kombiniert eine hohe Energieeffizienz mit sehr weiten Übertragungsdistanzen – ideal für den Einsatz in gewerblichen Räumen. Darüber hinaus verfügt dieser Standard bereits über eine sehr hohe Verbreitung an öffentlich nutzbaren Gateways, die durch Anbieter wie Minol Zenner Connect, Leicom-Itec, ­lokale Stadtwerke oder Mobilfunkbetreiber zur Verfügung gestellt werden. Je nach örtlicher Verfügbarkeit entfallen somit weitere technische Investitionen in eigene Gateways. Zusätzlich wird durch das separate Netzwerk die äußerst sensible Datensicherheit und -integrität der Unternehmensnetzwerke gewahrt.

In puncto API (Application Programming Interface) setzt der Hersteller der intelligenten Abfallbehälter unter anderem auf den Facility Data Standard (FDS), wodurch eine hohe herstellerunabhängige Kompatibilität und Interoperabilität zu anderen digitalen Produkten und Gewerken der Reinigungs- und Facilitiy-Management-Branche gewährleistet wird. Dies senkt die technischen Hürden bei der Einführung des digitalen Abfallmanagements und der Einbindung in entsprechende Softwarelösungen.

Künstliche Intelligenz erkennt ­Verhaltensmuster

Für den Reinigungsdienstleister liefern die Daten wichtige Parameter für die Erstellung seiner Leistungsbeschreibung und Ressourcenplanung. Als besonders wertvoll hat sich in diesem Zusammenhang das Predictive Cleaning erwiesen. Die komplexe und Machine-Learning-gestützte Algorithmik erkennt Verhaltensmuster in der Nutzung der Smart-Waste-Lösungen, woraus die künstliche Intelligenz den Zeitpunkt für eine effektive Entleerung des Abfallbehälters errechnet. Durch dieses Cleaning on Demand werden Ineffizienzen reduziert, unnötige Wege vermieden und starre Reinigungspläne durch flexible, aufwandsgerechte Reinigungen ersetzt.

Auch für UBM Development ist die neu entstandene Transparenz über das Abfallvolumen nach Sorte und Standort sowie über die Auslastung und Nutzung der einzelnen Abfallsammler ein großer Gewinn. In Dashboards werden die aktuellen Mengen dargestellt. Diese Informationen fördern das Bewusstsein für die Abfälle und stärken die Motivation im Team, das Aufkommen zu reduzieren.

Aus den gewonnenen Daten konnten zudem Rückschlüsse auf die Ursachen für das Abfallaufkommen im Unternehmen gezogen werden. Auf der Grundlage der entsprechenden Erkenntnisse wurden schließlich in Workshops Maßnahmen erarbeitet, wie bestimmte Abfallarten dauerhaft reduzierbar sind. Ein Beispiel: Die Analysen ergaben, dass wiederkehrend am gleichen Wochentag das Aufkommen für Kunststoffe sprunghaft anstieg, weil an diesem Tag das Kollegium traditionell die Mittagsspeisen von externen Lieferanten und Restaurants bezog. Als ­resultierende Maßnahme wurden mehrere verschließbare und wiederverwendbare Glasbehälter für die Belegschaft angeschafft, um das Aufkommen an Plastikabfällen durch Einwegverpackungen bei Speisen zu reduzieren. Dies senkt das Abfallaufkommen insgesamt und zudem den Reinigungsbedarf an der Abfallstation.

Reinigungsdienstleister als ­strategischer Partner

Für das effektive und nachhaltige Abfallmanagement ist der Reinigungsdienstleister ein entscheidender strategischer Partner, denn mit der Einführung intelligenter Systeme verändern sich auch die Reinigungsprozesse. Statt wie bisher mindestens einen Abfalleimer je Arbeitsplatz leeren und mit einer neuen Tüte bestücken zu müssen, reduziert sich dieser Aufwand nun auf die zentralen Abfallstationen und die ­Sammler in den Sanitärräumen.

Durch präzise Vorhersagen des Systems zum optimalen Entleerungszeitpunkt können darüber hinaus Aufgaben und Routen ­effektiver geplant und das Personal bedarfsgerechter eingesetzt werden – ein wertvoller Nutzen für den Reinigungsdienstleister. Unter Verwendung einer speziellen Planungssoftware und mobiler Endgeräte beim ­Reinigungspersonal werden Reinigungsaufwand und die dafür notwendigen ­Routen des Personals ­dynamisch erstellt. So sinkt der Aufwand in ­wenig frequentierten Gebäudebereichen, während in viel genutzten Bereichen die Aufgaben entsprechend ­angepasst werden können. Konkret zeigten die Daten bei UBM Development etwa, dass eine der beiden Teeküchen deutlich stärker genutzt wird, wodurch der Bedarf an Reinigungsdienstleistungen hier höher ist.

Um die gesamten Kunststoffabfälle weiter zu reduzieren, stellte UBM Development gemeinsam mit dem Reinigungsdienstleister zusätzlich auf die Verwendung von waschbaren Mehrwegbeuteln bei Papier-, Kunststoff- und Restabfällen um. Diese Abfallbeutel werden bei Bedarf feucht ausgewischt oder bei stärkerer Verschmutzung durch einen sauberen Beutel ersetzt, während der schmutzige Beutel bei bis zu 90 °C hygienisch gewaschen wird.

Last, but not least konnten der Reinigungsdienstleister und UBM Development durch die ­datengestützte Auswertung der Abfallmengen gemeinsam die tatsächlichen monatlichen Abfallvolumina je Sorte ermitteln. Diese liegen unterhalb der vom Vermieter pauschal angesetzten Volumina. Der Mieter UBM Development konnte damit nachweisen, dass sein Anteil am ­Gesamtmüllaufkommen des Gebäudes geringer ausfällt als vom Vermieter veranschlagt, was am Ende auch zu einer spürbaren Senkung der Nebenkosten führte.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Intelligente Abfalllösungen bieten viele Chancen für Reinigungsdienstleister, das eigene Leistungsportfolio zu erweitern und über die reine Dienstleistung der Objektreinigung ­hinaus zum strategischen Partner in der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien zu werden. Digitales Abfallmanagement hilft Reinigungsdienstleistern zudem, die Qualität der eigenen Leistungen weiter zu steigern und transparent zu dokumentieren. Die technischen Hürden zur Einführung einer solchen Lösung sind mittels autarker Hardware, der Verwendung eines offenen Industrie-Funkstandards sowie offener APIs gering.

Quelle: Hailo Digital Hub, UBM Development | guenter.herkommer@holzmann-medien.de

Dieser Artikel erschien bei rationell reinigen [Link]